Nachbericht: Dialog im Donaupark am 2. Oktober 2024
Die vermeintliche Zunahme der Starkregenereignisse und die damit einhergehenden Schäden in der Landwirtschaft und in bebauten Gebieten beschäftigen viele Menschen im Landkreis Kelheim. Das war beim „Dialog im Donaupark“ zum Thema „Hochwasser und Dürre – Die Rolle von Landschaftswasserhaushalt und Boden im Klimawandel“ am Vorabend des Tags der deutschen Einheit deutlich zu spüren.
Mit dem Referenten Prof. Dr. Karl Auerswald fand einer der führenden Fachleute zum Thema „Bodenkunde, Bodenschutz und Landschaftswasser“ den Weg ins Landratsamt Kelheim. Prof. Auerswald beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten schwerpunktmäßig damit, wie agrarische und agrarisch beeinflusste Ökosysteme funktionieren. Er war unter anderem Professor für „Bodenkunde und Bodenschutz“ sowie „Landschaftswasserhaushalt“ und ist selbst im Ruhestand noch an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und als Lehrbeauftragter für „Climate Change Management“ an der Hochschule Weihenstephan tätig.
Keine Veränderung der Niederschlagsmengen?
Und er hatte Provokantes zu berichten: Laut dem Deutschen Wetterdienst hat sich der mittlere Niederschlag in Bayern seit Beginn der Aufzeichnungen vor 125 Jahren kaum verändert. Schon immer gab es Jahre, in denen die Niederschlagsmenge deutlich über oder deutlich unter den Durchschnittsjahren lag. So fiel zum Beispiel bereits im März 1988 mit 185 Millimetern pro Quadratmeter über dreimal so viel sowie 2022 mit 19 Millimetern pro Quadratmeter nur knapp ein Drittel der durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 60 Millimetern. Selbst in den nächsten 50 Jahren sind trotz der CO2-getriebenen eintretenden Temperaturerhöhung keine größeren Änderungen bei der Niederschlagsmenge zu erwarten. Aber woher kommen die zunehmenden Starkregenereignisse und die damit einhergehenden Überflutungen?
Böden können Wassermassen nicht mehr aufnehmen
Mit dem CO2-getriebenen Klimawandel wird es zukünftig seltener, dafür aber heftiger regnen. Der Oberflächenabfluss des Wassers erfolgt stärker und schneller, weil der Boden nicht mehr in der Lage ist, diese Wassermassen zu speichern. Jahrzehntelang wurden die Böden durch verschiedenste Maßnahmen, ob im Straßen- und Siedlungsbau oder in der Landwirtschaft, immer mehr verdichtet, drainiert und versiegelt und dadurch für die Aufnahme der Regenmengen dauerhaft geschädigt.
Die versiegelte Fläche in Bayern ist mittlerweile auf ca. sieben Prozent angewachsen, durchschnittlich entfallen damit auf jeden Einwohner ca. 350 Quadratmeter. Diese Flächen fehlen einerseits für die Aufnahme des Niederschlages, aber auch für Verdunstung und damit Entzug von Wärme aus der Luft. Seit Mitte der 70er Jahre sinken deswegen bei 40 Prozent aller Grundwasser in Bayern - bei der Hälfte sogar stark - die Grundwasserspiegel.
Anschaulich stellte Prof. Auerswald anhand des Vergleichs zweier Garagenzufahrten mit zwei Stellplätzen, einmal mit Abführung des Dachwassers und wasserundurchlässigem Pflaster, einmal mit begrüntem Garagendach und Schotterrasen, die Zusammenhänge von Niederschlag, Eintrag in die Luft/Verdunstung und Grundwasserneubildung dar.
Mitte der 70er-Jahre wurden deutschlandweit viele Drainierungsmaßnahmen angestoßen, mittlerweile sind ca. 23 Prozent der Fläche von diesen Maßnahmen, die die Wasseraufnahmekapazität vermindern, betroffen. Für jeden Tropfen Wasser, der an der Oberfläche ankommt, wird ein Tropfen an die Drainage zum Abtransport abgegeben. Die Abflussrate hat sich durch die verschiedenen Entwässerungsmaßnahmen zwar nicht im zeitlichen Ablauf verändert, wohl aber im Hinblick auf die Scheitelhöhe und das Wellenvolumen. Regen fließt deutlich schneller ab. Zum Nachweis erläuterte Dr. Auerswald einen Feldversuch, den er gerne bereits mit Grundschülern praktiziert. Die gleiche Menge Wasser wird in eine glatte und eine mit Steinen und Holz versehene Rinne eingebracht. Durch die glatte Rinne ist das Wasser innerhalb kürzester Zeit direkt nach der Wassereinbringung durchgerauscht, in der rauen Rinne fließt das Wasser deutlich langsamer und in deutlich geringerem Umfang. Insgesamt dauert der Abfluss in der rauen Rinne etwa 15 Mal (!) länger als in der glatten Rinne.
Problem: Bodenverdichtung
Als dritte entscheidende Veränderung nannte Dr. Auerswald die zunehmende Bodenverdichtung. Durch den Einsatz immer größer werdenden Maschinen kann zwar der Oberboden immer besser gelockert werden, darunter verdichtet sich der Boden durch das Gewicht der eingesetzten Maschinen aber immer mehr. Ein Eindringen der Regenmengen in diese Erdschichten wird dadurch immer mehr erschwert. Auch die Wurzel der Pflanzen brauchen durch diese Verdichtung länger bis zum Grundwasser, manchmal erreichen sie die wasserführenden tieferen Schichten gar nicht mehr und sind so bei fehlendem Regen durch Trockenheit bedroht.
Eine kurz- und mittelfristig verfügbare Lösung, die eingetretene Verdichtung der Böden rückgängig zu machen, konnte der Fachmann nicht nennen. Tiefwurzelnde Bäume könnten das Problem vielleicht in 100 Jahren lösen. Seine Empfehlung war, offene Flächen durch Mulchen vor übermäßigem Oberflächenabfluss und Erosion zu schützen. Bei Trockenheit gäbe es dadurch weniger Erwärmung, weniger Bodenverdunstung und dadurch eine bessere Versorgung der Pflanzen mit Wasser. Zudem sprach er sich für das Anlegen von bodenschützenden, schmalen Hecken, die die Verdunstung deutlich vermindern, aus.
Prof. Dr. Auerswald appellierte eindringlich an alle Besucher, ihren Beitrag, und sei er noch so klein, zur Verminderung der Verdichtung der Böden, der Versiegelung und der Drainage zu leisten bzw. die schwerlastenden Maßnahmen rückgängig zu machen.